Was ist Psychotraumatologie?

Die Psychotraumatologie befasst sich mit der wissenschaftlichen Erforschung der Bedingungen und der Folgen von Gewalt an Menschen. Psychotraumatologie ist die Grundlage für traumazentrierte Therapie, - Beratung und - Pädagogik.

Ein Psychotrauma ist dann gegeben, wenn eine extrem bedrohliche Erfahrung (Erleben von Todesnähe, Hilflosigkeit, völliger Ausgeliefertheit, Gewalt) unsere Stress-Systeme überfordert; die traumatische Erfahrung kann nicht verarbeitet werden

Psychotrauma führt dadurch zu einem Einbruch in die Homöostase des Organismus: in das Gleichgewicht der Physiologie und Körperfunktionen, der Emotionen, des Gedächtnisses und der Alarmsysteme. Unter bestimmten günstigen Umständen kann ein psychisches Trauma auch aus eigener Kraft bewältigt werden.

Traumafolgestörungen

  1. Non-komplexe Traumfolgestörungen – zumeist nach Mono-trauma (Schocktrauma). PTBS
  2. komplexe Traumafolgestörungen – zumeist nach länger anhaltenden, traumatisierenden Lebensbedingungen. Dazu zählen: die komplexe Posttraumatische Belastungsstörung k-PTBS, die partielle Dissoziative Identitätsstörung p-DIS und die Dissoziative Identitätsstörung DIS

Seelische Traumatisierung kann darüber hinaus an einer Fülle von Symptomen und Krankheitszuständen ursächlich mitbeteiligt sein. ( PTBS-comorbide Störungen: depressive Zustandsbilder, Angstsymptome, dissoziative Symptome, somatoforme Störungen und Suchterkrankungen. Länger anhaltende, vor allem zwischenmenschliche Gewalt in der Kindheit kann zu charakteristischen Beeinträchtigungen in der Entwicklung der gesamten Persönlichkeitsstruktur

Die Forschungsergebnisse aus der Psychotraumatologie führten demgemäß in den letzten Jahrzehnten zu neuen Behandlungsansätzen in der Therapie traumaassoziierter Störungen – mit außergewöhnlich guten Ergebnissen.

Traumatherapie, klinisch-psychologische Behandlung, Traumazentrierte Beratung und Pädagogik

Der fachgerechte Umgang mit Menschen, die an Traumafolgestörungen leiden, resultiert unmittelbar aus den Forschungsergebnissen der Psychotraumatologie: aus Neurobiologie, Neurophysiologie und Stressforschung, Epigenetik, Bindungstheorie, Systemtheorie, u.a.

  • In den traumafokussierten Therapiekonzepten in Psychotherapie und klinisch-psychologischer Behandlung werden hilfreiche Ansätze in Haltung, Therapieplanung und -Monitoring sowie Methodik und Behandlungstechniken schulenübergreifend entwickelt.
  • In der Traumapädagogik und traumazentrierten Beratung kann bereits präventiv wirksam werden, indem durch Erkennen von Risikofaktoren in Bezug auf seelische Belastungssituationen schon früh interveniert werden kann. In der Arbeit mit Betroffenen, die an Traumafolgestörungen leiden, sind es stabilisierende Interventionen, bindungsbasierte Beziehungsgestaltung, sowie die Ressourcenorientierung, welche als wesentlichen Bausteine eines traumafokussierten Ansatzes gelten.
  • In Notfallpsychologie und Krisendiensten können ein angemessenes bindungs-basiertes Beziehungsangebot sowie spezifische stabilisierende Interventionen unmittelbar in der Akutsituation nach Hochstresserfahrungen die Entwicklung einer Traumafolgestörung verhindern, bzw. kann zeitnah eine traumatherapeutische Behandlung initiiert werden.

Psychiatrie und Psychotherapie: Vor allem bei Menschen mit chronifizierten psychischen Erkrankungen kann eine traumafokussierte Betrachtungsweise mitunter neue, erfolgversprechende Behandlungsansätze aufzeigen. Wir wissen heute, dass viele Menschen mit Belastungen durch psychische Traumatisierungen oft über Jahre Fehldiagnosen erhielten und dann unter Umständen auch falsch behandelt wurden.

Das Feld, das die Psychotraumatologie für Theorie und Klinik von psychischen Erkrankungen eröffnet, ist umfangreich. Es erfordert und verdient eine ernsthafte Auseinandersetzung. Es rechtfertigt Diskussion, Überprüfung und gegebenenfalls auch Modifikation mancher bisheriger Krankheits- und Behandlungskonzepte aus neuer Perspektive.

Für die fachgerechte Behandlung von Menschen mit Traumafolgestörungen braucht es über eine fundierte Grundausbildung in psychotherapeutischen Verfahren hinaus spezifisches Fachwissen und Fachkompetenz zu Diagnostik und Behandlungen von Traumafolgestörungen.